Über das Projekt
Das Wartburgfest von 1817 gilt als Brenn- und Sammelpunkt der liberal-nationalen, demokratischen Bewegung und ist unbestritten ein Ereignis, dessen Nachwirken und Bedeutung in vielen Bereichen der deutschen politischen Geschichte bis heute erkennbar ist. Für die Erforschung des Teilnehmerkreises des Wartburgfests sind die Arbeiten des Jenaer Historikers Günter Steiger (1925-1987), dessen Nachlass im Universitätsarchiv Jena aufbewahrt wird, unerlässlich. Der Nachlass umfasst biographische Materialien zu 501 ermittelten Teilnehmern des Wartburgfestes, die über Jahrzehnte durch weitgespannte Recherchen in Archiven und der zeitgenössischen Literatur zusammengetragen wurden. Um einen Zugang zu diesen Daten für die interessierte Öffentlichkeit und die Forschung zu bieten und diese mit weiteren (digitalen) Quellen zu vernetzen, war eine Koordination eines institutionsübergreifenden Digitalisierungs- und Erschließungsprojekts nötig (organisatorische und technische Projektkoordination durch den beantragten Mitarbeiter). Die digitalisierten Materialien aus dem Nachlass Steiger als Kern des Digitalisierungs- und Erschließungsprojektes mussten mit weiteren digitalen bzw. zu digitalisierenden Quellen in Thüringer Partnerinstitutionen vernetzt werden, die (besonders die Materialien in ThULB und UAJ) noch nicht digital verfügbar waren und daher trotz ihres hohen Informationswertes bislang nur ungenügend in den Fokus der Forschung zum Wartburgfest gerückt wurden. Es handelt sich um Quellen aus den Beständen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena mit der Abteilung Historische Sammlungen, des Universitätsarchivs Jena, der Klassik-Stiftung Weimar mit dem Goethe-Schiller-Archiv, des Thüringer Hauptstaatsarchivs Weimar sowie der Wartburgstiftung Eisenach. Diese digitale Vernetzung ermöglicht neue Perspektiven und Forschungen zum Wartburgfest. Einen ersten Ansatz dazu lieferte bereits die vom Universitätsarchiv Jena in Kooperation mit der Wartburgstiftung 2017 auf der Wartburg ausgetragene Tagung „Das Wartburgfest von 1817 als europäisches Ereignis“, deren Ergebnisse im gleichnamigen, 2020 erschienenen Sammelband vorliegen.
Das Projekt ist an der Universitätsgeschichtlichen Forschungsstelle des Universitätsarchivs Jena angesiedelt. Dieses überliefert die archivalischen Dokumente zur historischen Entwicklung der Universität. Es besteht aus dem Historischen Endarchiv (1548/58-1989), welches die Quellen für die historische Forschung bereitstellt und aus dem Zwischenarchiv, welches das archivwürdige Schriftgut aus den Struktureinheiten der Universität übernimmt und verwaltet (Bestände ab 1989). Mit seinen Beständen von 6500 laufenden Regalmetern, die mit der Gründung der Universität Mitte des 16. Jahrhunderts beginnen und bis zur Gegenwart reichen, zählt das Archiv zu den großen Universitätsarchiven Deutschlands. Mit der angeschlossenen universitätsgeschichtlichen Forschungsstelle arbeitet das Universitätsarchiv, in enger Kooperation mit der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, dem Landesarchiv Thüringen und der Klassik-Stiftung Weimar auch als wissenschaftliche Einrichtung zur Erforschung der Universitäts-, Hochschul-, wissenschafts- und Studentengeschichte (vgl. gemeinsame Publikations- und Ausstellungsprojekte) sowie als Partner oder Antragsteller im Drittmittelbereich (u. a. DFG-Projekte im Bereich „Digitalisierung und Erschließung“). Das Archiv ist als eigenständige Einrichtung mit dazugehöriger wissenschaftlicher Forschungsstelle dem Präsidenten der Friedrich-Schiller-Universität unterstellt.
Der bereits erwähnte Günter Steiger plante, seine Ergebnisse in Form eines gedruckten Lexikons zur Verfügung zu stellen. Die heutige digitale Infrastruktur ermöglicht es, die ausgewählten Quellen zu digitalisieren, zu erschließen und der interessierten Öffentlichkeit sowie der Forschung zur Verfügung zu stellen. Damit werden sowohl ein schneller Einstieg als auch eine intensivere und effizientere Forschung zu diesem Ereignis der Regionalgeschichte, Nationalgeschichte und europäischen Geschichte ermöglicht. Zur Fortführung der Arbeit Günter Steigers wurde das Projekt in drei Arbeitsphasen untergliedert:
Arbeitsphase 1: Auswahl und Digitalisierung
Die Auswahl der relevanten Teile des Nachlasses und der ergänzenden Quellen in anderen Thüringer Kulturerbe-Institutionen wird mit den Projektbeteiligten abgestimmt und die nötigen Digitalisierungsarbeiten werden zentral koordiniert. Gemeinsamer Austausch mit den Projektbeteiligten soll zur Ideenfindung zu digitaler Präsentation und Nutzung der Zielgruppen des Projektes beitragen.
Arbeitsphase 2: Datenmodell und Normdaten
Um die Daten in einer gemeinsamen Plattform bereitzustellen, ist eine Ergänzung und Verknüpfung vorhandener Datenmodelle nötig. Dies bezieht sich auf spartenübergreifende Standards zur Digitalisierung, Erschließung von Material aus Archiven und gedruckten Werken und der Erfassung von Personendaten. Um eine weitere Vernetzung der Daten zu ermöglichen, ist es nötig, die Daten Steigers mit Normdaten (z. B. GND) anzureichern und die Ergebnisse in einer Form bereitzustellen, die eine Nachnutzung erleichtert (z. B. in Form von linked open data). Hierfür soll die vorhandene digitale Infrastruktur der ThULB (auf Basis von MyCoRe und eines Semantic Media Wiki) genutzt werden.
Arbeitsphase 3: Vernetzung und Präsentation
Die Präsentation der Daten erfolgt auf der von der ThULB bereitgestellten Webseite, auf der die Daten aus den unterschiedlichen spartenspezifischen Repositorien und Erfassungssystemen zusammengeführt werden. Die Einbindung neuer Technologien ist mit dem Entwicklungsplan der ThULB abgestimmt. Dies betrifft u. a. die Weiterentwicklung eines Personendatenmodells und die Einbindung semantischer Daten. Die Daten sind zudem über das digitale Kultur- und Wissensportal Thüringen (kulthura) zugänglich.
Das Projekt ist Teil der Digitalisierungsstrategie des Universitätsarchivs und dient der Präsentation und wissenschaftlichen Nutzbarmachung von Beständen, wie sie z. B. durch das bereits von der Thüringer Staatskanzlei geförderte, von der ThULB in Zusammenarbeit mit dem Universitätsarchiv bearbeitete Projekt zur Digitalisierung und Erschließung des Bestandes „Mineralogische Gesellschaft" betrieben wird. Die bereits bestehende Zusammenarbeit zwischen Universitätsarchiv und ThULB zur Schaffung digitaler Angebote im Bereich der Wissens- und Sammlungsbestände sowie ihrer Vermittlung wird dadurch verstärkt und weiterentwickelt. Durch die Kooperation mit der ThULB fügt sich das Projekt, wie oben dargestellt, in den breiten Kontext der digitalen Infrastruktur der ThULB zur Präsentation und Verfügbarmachung von kulturellen Wissens- und Sammlungsbeständen ein. Das Vorhaben ist mit den Entwicklungen der digitalen Infrastruktur der ThULB abgestimmt und dient als Fallstudie, um die Anforderungen von Digitalisierungsprojekten hinsichtlich der Verwendung von linked open data abzustimmen. Die Ergebnisse dieser Fallstudie werden in ein Konzept für eine teilautomatisierte Verknüpfung mit Normdaten in thüringischen Digitalisierungsprojekten aufgenommen.
Das Projekt dient u. a. dazu, Netzwerke für Digitalisierungs- und Erschließungsvorhaben über institutionelle Grenzen hinweg aufzubauen und zu stärken. Diese content-orientierte Herangehensweise ermöglicht es, auch in Zukunft (z. B. bei Jubiläen bedeutender Ereignisse in Thüringen) schnell vorhandene digitalisierte Quellen zu vernetzen, anzureichern und zur Verfügung zu stellen. Die aufgebaute Plattform zum Wartburgfest soll auch nach Projektlaufzeit durch die Kulturerbe-Institutionen ergänzt werden können. Die einzelnen Personenseiten der Teilnehmer sind adressierbar und zitierbar, werden in die digitale Langzeitarchivierung der ThULB aufgenommen und erfüllen somit die Anforderungen wissenschaftlicher elektronischer Publikationen.